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Von Mollusken und Mönchsrobben

Dienstag, 23 Aug, 2022

Sea Shepherds jüngste Kampagne zum Schutz eines der am stärksten bedrohten Meeressäuger im Mittelmeer - der Mönchsrobbe - zielt auch auf den Schutz eines Meeresbewohners ab, über den wir in unserer 45-jährigen Geschichte des Meeresschutzes nur selten berichtet haben: den Tintenfisch.

Krake im Meer. Foto von Ariane Elena Fuchs für Sea Shepherd.
Krake im Korallenriff. Foto von Lydia Pfaffstetter für Sea Shepherd.

Wenn wir von unserer Arbeit zum Schutz der Meeresökosysteme berichten, sprechen wir oft von einer Vielzahl von Tieren. Bei einigen erzählen wir von ihrer Rettung, bei anderen nur von der Schönheit einer flüchtigen Begegnung beim Segeln. Wir haben sie immer als "unsere Kunden" betrachtet, da der Schwerpunkt der Arbeit von Sea Shepherd immer auf dem Schutz einer bestimmten Art oder ihres Lebensraums liegt. Diesmal ist der Protagonist jedoch weder ein Fisch, noch ein Wal oder eine Schildkröte, sondern ein Weichtier mit acht Armen, drei Herzen und neun Gehirnen.

Wir wissen so viel und gleichzeitig so wenig über dieses Tier. Der Gewöhnliche Krake (Octopus vulgaris) ist die häufigste Art im Mittelmeer, ein intelligentes wirbelloses Tier, das die Fähigkeit besitzt, komplexe Probleme zu lösen, sich an jede Situation anzupassen und sich noch Jahre später an die Formen von Gegenständen und Menschen zu erinnern. Das Erbgut des Kraken trägt dieselbe Art von Gen, die bei der menschlichen Lernfähigkeit und kognitiven Entwicklung eine Rolle spielt. Darüber hinaus hat jedes Exemplar eine eigene Persönlichkeit und ändert sogar seine Farbe, wenn es träumt.

Wenn wir im Internet nach "Tintenfisch" suchen, finden wir leider fast ausschliesslich eine endlose Liste von Kochrezepten oder Tipps, wie man ihn fangen kann. Auch wenn wir mehr über Tintenfische und Kraken lernen und somit unsere Sichtweise auf diese Tiere ändern können, stehen sie weiterhin unter einem beispiellosen Druck durch die Fischerei.

Krake im Meer. Foto von Mike Sünder für Sea Shepherd.

Was wissen wir über Kraken?

Alles, was wir über Kraken wissen, deutet darauf hin, dass diese Lebewesen nichts anderes als unseren Respekt und unser Interesse verdienen. Sie werden oft mit Polypen verwechselt, die eigentlich Korallen und Quallen sind. Der Krake hat zwei Herzen, die sein Blut in die Kiemen pumpen, während das dritte den Blutkreislauf im ganzen Körper sicherstellt. Aufgrund des Kupfers, das der Krake zur Sauerstoffaufnahme nutzt - im Gegensatz zu Eisen beim Menschen - ist sein Blut tatsächlich blau.

Der Krake verfügt über ein Gehirn für jeden Arm (nicht Tentakel!) sowie über ein zentrales Gehirn, das für die Kontrolle der unabhängigen Bewegung jedes Arms zuständig ist: Er kann sie wie Werkzeuge zum Greifen von Gegenständen einsetzen und ist damit das einzige wirbellose Tier mit dieser einzigartigen Fähigkeit.

Eine weitere Besonderheit des Kraken ist die Hingabe, mit der sich das Weibchen um seine Eier kümmert, indem es sie während ihrer Wachstumsphase unermüdlich mit sauerstoffreichem Wasser anbläst, und sich zu Tode hungert, nachdem es alles für seinen Nachwuchs gegeben hat. Spätestens im Alter von zweieinhalb Jahren wird es sterben. Dies ist sein Vermächtnis.

Kraken am Markt. Foto von Angelos Lamprakopoulos.
Zum Trocknen aufgehängte Kraken. Foto von Stephen Frith.

Um die Mönchsrobbe zu schützen, müssen wir den Kraken schützen

Wie fast alle anderen Arten in unseren Meeren, die zu Nahrungszwecken gejagt werden, ist auch der Bestand der Tintenfische und der Kraken durch denselben unersättlichen "Appetit" des Menschen bedroht, der die Ozeane ausplündert.

Den Angaben zufolge werden in Italien jedes Jahr fast 3'000 Tonnen Kraken gefangen. Bei einem Durchschnittsgewicht von fünf Kilogramm für ein ausgewachsenes Exemplar werden also offiziell hunderttausende dieser Tiere dem Meer entrissen. Berücksichtigt man zusätzlich die Freizeitfischerei und die Wilderei, so ist die tatsächliche gefangene Zahl unvorstellbar höher.

Aufgrund der Biologie des Kraken ist die Überwachung ihres Bestands eine Herausforderung. Die Daten deuten jedoch darauf hin, dass die Bestände nicht nur lokal, sondern generell überall abnehmen, so dass der Krake in die Kategorie der überfischten Arten fällt.

Abgesehen von Meeresschutzgebieten ist die "biologische Ruhezeit" im Sommer eine der wenigen Schutzmassnahmen, um den Rückgang der Krakenpopulationen zu verhindern. In diesem Zeitraum, der von Region zu Region unterschiedlich ist, ist es verboten, auch nur ein einziges Exemplar zu fangen.

Sea Shepherd befreit eine Krakenmutter mit ihren Eiern während der Monachus Defense Campaign. Foto von Sea Shepherd.
Krakeneier in einer illegalen Falle im Mittelmeer. Foto von Sea Shepherd.

Die Monachus Defense Campaign

Für Sea Shepherd ist das noch nicht genug. Denn hier kommt der am stärksten bedrohte Meeressäuger im Mittelmeer ins Spiel: die Mönchsrobbe.

Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen dieser Spezies und dem Kraken, weshalb Hilfe für die Mönchsrobbe auch Hilfe für den Kraken bedeutet.

Bis Mitte des letzten Jahrhunderts waren Mönchsrobben in italienischen Gewässern noch weit verbreitet. Nachdem sie bis fast zur Ausrottung gejagt wurden, gibt es heute nur noch etwa 700 Mittelmeer-Mönchsrobben. Sichtungen und Forschungen scheinen jedoch auf eine Wiederbesiedlung eines Ortes hinzudeuten, der einst ihre Heimat war: unsere Küsten. Von den wenigen Gruppen, die sich im Westen zwischen Griechenland und der Türkei angesiedelt haben, versuchen nun einige Exemplare, dorthin zurückzukehren, wo sie einst heimisch waren.

Was sie bisher allerdings daran gehindert hat, ist der Mangel an küstennahen Lebensräumen, in denen sie sich ausruhen und fortpflanzen können, und - vor allem - an Nahrung. Und was ist das Grundnahrungsmittel der Mönchsrobben? Richtig, Kraken und Tintenfische! Wenn du eine Mönchsrobbe wärst, würde etwa die Hälfte deiner Nahrung aus Kraken und Tintenfischen bestehen

Als Teil der kürzlich gestarteten Kampagne zur Verteidigung der Mönchsrobben beabsichtigt Sea Shepherd Italien, in den am besten geeigneten Lebensräumen für diese geschützte Art aktiv zu sein.

Erfahre mehr über die grösste Beschlagnahmung illegaler Fischereigeräte im Mittelmeer: "Wir schützen Tintenfische damit Robben nach Italien zurückkehren"

Mehr zur Monachus Defence Campaign

Der Nationalpark Arcipelago Toscano ist ein wichtiger Lebensraum für die Mittelmeer-Mönchsrobbe.
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