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Ostsee: Verdeckte Patrouillen im Winter

Sonntag, 16 Apr, 2023

Von Mitte Januar bis Ende Februar führte ein Team von Sea Shepherd Deutschland Patrouillen durch, um die Bedrohung von Schweinswalen und Meeresenten durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee zu dokumentieren und die Einhaltung bestehender Schutzgesetze zu überwachen. In verdeckten Einsätzen wurden an verschiedenen Standorten ausgebrachte Stellnetze kontrolliert und Fischereiaktivitäten entlang der Schutzgebiete überprüft. Im Rahmen von Mission Covert Traps konnte Sea Shepherd mehrere Verstösse, darunter illegale Fischerei im Nationalpark Wollin, feststellen und bei insgesamt drei Vorfällen Strafanzeige erstatten.

Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) stellt die Stellnetzfischerei eine der Hauptgefährdungsursachen für Seevögel und Schweinswale in der deutschen Ostsee dar. Die Tiere geraten bei der Nahrungssuche in die Netze und erleiden einen qualvollen Erstickungstod. Zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Ostsee-Schweinswale erliess die EU-Kommission eine neue Verordnung (EU 2022/303), nach der die Stellnetzfischerei für bestimmte Monate in ausgewiesenen Schutzgebieten stark einschränkt oder vollständig untersagt ist. Zu den Schutzgebieten zählen u.a. Adlergrund, Pommersche Bucht mit Oderbank sowie Schutzgebiete in polnischen, dänischen und schwedischen Gewässern. Die Sperrzeiten variieren je nach Gebiet von November bis April. Mit der neuen Verordnung will die EU einen Beitrag leisten, die stark bedrohte Schweinswal-Population in der Ostsee besser zu schützen.

Die Crew kontrolliert ausgebrachte Stellnetze. Foto: Andreas Pretali / Sea Shepherd
Die Crew überwacht Fischereiaktivitäten. Foto: Andreas Pretali / Sea Shepherd

Zwar ist die Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch reichen die Schutzmassnahmen nicht aus. Weiterhin gibt es Ausnahmeregelungen, die die Stellnetzfischerei z. B. durch den Einsatz akustischer Abschreckvorrichtungen (sog. PAL-Geräten /Porpoise Alert) erlauben, obwohl der tatsächliche Abschreckungserfolg dieser Geräte nicht vollständig belegt ist. Zudem fehlt es an Kontrollen, die eine Wirksamkeit der Verordnung auch gewährleisten. Mit der Kampagne wollen wir unseren Teil dazu beitragen, diese Lücke zu schliessen."

Florian Stadler, Kampagnenleiter von Sea Shepherd Deutschland.

In den ersten beiden Wochen lag der Schwerpunkt auf der Überwachung der Verordnung, dazu patrouillierte das Team das Schutzgebiet Pommersche Bucht und den Nationalpark Wollin. Am 20. Januar entdeckte die Crew ein Schleppnetzschiff, das im Nationalpark fischte. Dieses Gebiet ist streng geschützt, sodass es rechtlich untersagt ist, das Gebiet zu befahren oder gar aktiv zu fischen. Dank seines Einsatzes konnte Sea Shepherd dafür sorgen, dass das Schiff sein Netz einholte und den Nationalpark verliess. Das Beweismaterial wurde an die zuständigen Behörden übergeben und Strafanzeige erstattet. „Auch wenn es sich bei diesem Vorfall um keinen Verstoss gegen die Schweinswalschutz-Verordnung handelt, zeigt es, wie wichtig Kontrollen sind, damit Schutzgesetze wirklich eingehalten werden“, so Florian Stadler.

In der zweiten Einsatzhälfte ging es um die Überwachung von Gebieten, in denen sich geschützte Seevögel, darunter Meeresenten, in grossen Schwärmen aufhalten. In der Ostsee liegen wichtige Rast- und Überwinterungsgebiete, die für viele verschiedene Zugvogelarten, darunter geschützte Arten wie z.B. Samt-, Eis-, Eider- oder Trauerenten, von grosser Bedeutung sind. Jedoch ist auch in diesen Gebieten die Stellnetzfischerei noch immer erlaubt und so treten Beifänge von Seevögeln vermehrt dort auf, wo sich die Fanggründe der Stellnetzfischerei mit den Rast- und Nahrungsgebieten der Tiere überschneiden. Und trotz bestehender Vogelschutzmassnahmen, die den Schutz von Meeresenten und vielen anderen Arten sowie den Fortbestand der Nahrungsgründe erhalten und sogar entwickeln sollen, sind die Bestände von Meeresenten seit vielen Jahren rückläufig.

Die Seevögel kommen den ausgebrachten Stellnetzen sehr nah. Foto: Andreas Pretali / Sea Shepherd.
Tote Meeresente im Stellnetz. Foto Katie Mähler / Sea Shepherd.
Beifänge von Seevögeln treten vermehrt dort auf, wo sich Fanggründe der Stellnetzfischerei mit den Nahrungsgebieten der Tiere überschneiden. Foto Katie Mähler
Im Netz ertrunken. Foto Katie Mähler / Sea Shepherd
Das Netz wurde über viele Tage nicht geleert. Foto Katie Mähler / Sea Shepherd

Zusammen mit dem Komitee gegen den Vogelmord e.V. hat Sea Shepherd Deutschland Küstengebiete zwischen den Naturschutzgebieten Schlei und Bottsand patrouilliert und ausgebrachte Stellnetze kontrolliert. „Unsere Aufnahmen zeigen deutlich, wie nah die Seevögel den ausgebrachten Stellnetzen kommen, die ihnen bei ihrer Nahrungssuche zur tödlichen Gefahr werden“, sagte Florian Stadler. „So ist es nicht verwunderlich, dass wir auch in diesem Jahr wieder den Beifang von bedrohten Meeresenten dokumentieren mussten“, fügte er hinzu. Unter anderem konnte die Crew den Vogelbeifang in einem unmarkierten Stellnetz nachweisen, das über viele Tage nicht geleert wurde. Der Verstoss wurde den Behörden gemeldet und Anzeige erstattet. Neben dem Beifang von bedrohten Seevögeln konnte die Sea Shepherd Crew zudem weitere Vergehen gegen bestehende Schutzgesetze feststellen und zur Anzeige bringen.

Wir mussten am Hafen mit ansehen, wie lebendige Fische in Plastiktüten verpackt und verkauft wurden, womit ein klarer Verstoss gegen das Tierschutzgesetz vorliegt. Darüber hinaus befanden sich Dorsche unter den angebotenen Tieren, die aufgrund der derzeit geltenden Fangbeschränkung nicht verkauft werden dürfen. Unsere Einsätze machen deutlich, wie unwirksam Schutzmassnahmen tatsächlich sind, wenn sie nicht überprüft und geahndet werden. Verstösse gegen Schutzgesetze stehen auf der Tagesordnung, dabei werden wir nicht tatenlos zusehen! Denn ohne ernst gemeinten und effektiven Schutz werden die Ostsee-Schweinswale und viele andere Meeresbewohner keine Chance haben, in diesen Gewässern zu überleben."

Florian Stadler, Kampagnenleiter von Sea Shepherd Deutschland.
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